Tiefenpsychologische Psychotherapie als Richtlinienpsychotherapie
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist eines von vier wissenschaftlich anerkannten und empirisch auf ihre Wirksamkeit hin überprüften psychotherapeutischen Richtlinienverfahren (neben Verhaltenstherapie, Analytischer Psychotherapie und Systemischer Psychotherapie). Die Ausübung Psychologischer Psychotherapie für Erwachsene ist an eine umfangreiche staatliche Ausbildung gebunden, die auf das Psychologiestudium folgt. Sie umfasst neben der Theorieausbildung mindestens 2400 Praxisstunden und schließt mit der Approbation ab.
Struktur, Konflikt und Beziehungsmuster
Tiefenpsychologische Psychotherapie orientiert sich an unbewussten inneren Konflikten, die in der Kindheit entstehen und in jedem von uns mehr oder weniger stark wirken. Um im Leben zurecht zu kommen, bildet jeder von uns automatisch Beziehungsmuster aus, die hilfreich dabei sind, die Konflikte abzumildern bzw. zu kompensieren und damit eine wichtige Funktion haben. Dieser Vorgang läuft ursprünglich unbewusst ab. Die Muster beinhalten unser Bild von uns selbst und Bilder von wichtigen Anderen. Sind sie starr und unflexibel (geworden) oder es fehlen strukturelle Fähigkeiten um Gefühle oder Verhalten zu steuern, können manche Anforderungen des Lebens und zwischenmenschliche Beziehungen nicht ausreichend gut ausbalanciert werden. Es entstehen dann Beziehungsprobleme und/oder psychische Symptome, die die Lebensqualität stark beeinträchtigen können. Manche unserer Muster sind dann dysfunktional geworden.
In der klassischen Tiefenpsychologischen Psychotherapie werden diese vorbewussten (wenn Ihnen bereits manche Muster und Verletzungen klar sind) oder gänzlich unbewussten Vorgänge bewusst gemacht und verdrängte schmerzhafte Gefühle gemeinsam ausgehalten und angenommen. Es braucht häufig dann keine starren Muster und Symptome mehr, die die Gefühle verdrängt halten müssen. Dies ist ein kreativer emotionaler Vorgang ohne festen Ablauf, der sich langsam entfalten muss. Dabei geht es z.B. um das Erkennen unbewusster Beziehungsangebote und Abwehrmechanismen oder das Verstehen unbewusster Motive, die z.B. in Träumen sichtbar werden. Für den Prozess des Bewusstwerdens in der Therapie braucht es ein Fundament aus Stabilität (die ggf. erst erarbeitet werden muss) und gemeinsames Vertrauen. Und insgesamt Zeit!
Fokus im Hier und Jetzt
Tiefenpsychologische Psychotherapie "gräbt" nicht nur in der Vergangenheit, wie manchmal geglaubt wird. Es geht vor allem auch um unbewusste Beziehungsmuster im Alltag. Dabei beziehen wir aktuelle Beziehungen, vergangene Beziehungserfahrungen und die Beziehung zwischen Therapeutin und Patient:in als Quelle mit ein. Auch der Blick auf Ihre Stärken und Ressourcen spielt eine große Rolle.
Im Gegensatz zur analytischen Psychotherapie, werden mehr aktuelle Schwierigkeiten und auslösende Bedingungen fokussiert. Die Therapie hat neben dem Teil, der Verstehen erzeugen, emotionales (Wieder-)Erleben begleiten und Loslassen anstoßen will, auch immer einen "übenden" Charakter, bei dem der Patient/die Patientin im Alltag auf der Grundlage neuer Erlebensqualität oft ganz automatisch auch neues Verhalten probiert. Anders als in der Verhaltenstherapie werden nicht alle Hypothesen und fokussierte Aspekte von der Therapeutin sofort transparent gemacht, da ein allmähliches gemeinsames Erarbeiten und Erleben emotionaler Zusammenhänge die nachhaltige Wirksamkeit der Therapie ausmacht.
Ermutigend und konfrontierend
In der modernen Tiefenpsychologischen Psychotherapie schafft die Therapeutin eine Atmosphäre in der sich der Patient/die Patientin angenommen, unterstützt und eingeladen fühlt, eigenes Erleben und auch "Unangenehmes" zu berichten. Die therapeutische Herangehensweise kann, je nach Störung und Therapiephase, mal aktiv ermutigend und unterstützend, oder aber auch herausfordernd und manchmal unbequem konfrontierend sein. Denn nur der "live" erlebte Kontakt mit unbequemen Empfindungen und Beziehungsmustern ermöglicht die nachhaltige Wirksamkeit der Therapie. In der Therapie kann so "geübt" und erlebt werden, was im zwischenmenschlichen Alltag vermieden wird und unbemerkt Schwierigkeiten bereitet.